Añora ist ein spanisches Dorf in der andalusischen Provinz – die 1.500 Einwohner tätigen im Vergleich zu anderen spanischen Kleinstädten pro Kopf die meisten Einkäufe auf Amazon.

Auf den ersten Blick scheint Añora wie ein gewöhnliches spanisches Dorf. Gerade einmal 1.500 Einwohner, alternde Bevölkerung, die nächste Großstadt über 50 Kilometer entfernt. Wäre da nicht die Begeisterung für das Online-Shopping: Unter spanischen Städten mit weniger als 10.000 Einwohnern tätigen die Bewohner Añoras pro Kopf die meisten Einkäufe auf Amazon. Im Vergleich zu anderen Städten mit ähnlichen Einwohnerzahlen betreiben sie 64 Prozent mehr Online-Shopping. Aber woher rührt diese Begeisterung für den E-Commerce, diese Amazon-Affinität?

Jose Reyes ist Computeringenieur und betreibt das von der lokalen Regierung zur Verfügung gestellte Internet-Zentrum, quasi den Shopping-Hotspot der Dorfgemeinschaft. „Von hier aus muss man eine Stunde im Auto verbringen und sogar nach Córdoba fahren. Dabei riskiert man, nicht zu finden, wonach man sucht“, erklärt der 40-Jährige die Mühen des ländlichen, analogen Shoppings. Online-Shopping bietet Menschen auf dem Land, die Auswahl der Großstadt nur einen Klick entfernt – und damit zusätzlich eine große Zeitersparnis. Für die Einwohner von Añora eine willkommene Alternative zur Fahrt in die andalusische Landeshauptstadt oder gar ins mehr als 80 Kilometer entfernte Sevilla.

Die Begeisterung für das Online-Shopping wird durch Mund-zu-Mund-Propaganda verstärkt. „Wenn du etwas kaufst und es gefällt dir, weiß am nächsten Tag jeder davon“, erläutert Reyes den Netzwerkeffekt im Dorf. Reyes selbst ist begeisterter Online-Käufer und Mitglied bei Amazon Prime – unter anderem wegen des kostenlosen Versands.

Das meistverkaufte Produkt in Añora ist eine kleine Tube Kleber, zu haben für acht Euro. Der Grund dafür: La Fiesta de la Cruz – eine lokale Tradition, die Ende April und Anfang Mai gefeiert wird und zu der die Einwohner Kreuze mit kunstvollen Verzierungen verschönern. „Die Dorfbewohner verwenden Unmengen an Kleber für diese Kreuze“, sagt Reyes mit einem Augenzwinkern. „Wahrscheinlich hat jemand eines Tages gesagt, dass er den billigsten Kleber auf Amazon gefunden hat und dann taten es ihm die anderen nach“, erläutert er die Geschichte hinter dem Bestseller im Amazon-Dorf.

Marisa Breton, die zweitaktivste Online-Shopperin aus dem Dorf (der fleißigste Käufer heiße Rafa, möge es aber nicht, in der Öffentlichkeit zu sprechen, so Breton) erzählt, dass sie anfangs so eine eifrige Amazon-Kundin geworden sei, weil sie Produkte für andere Bewohner bestellte, die nicht auf die Amazon-Seite zugreifen konnten. Nur ist dies einige Jahre her. Mittlerweile hat Breton den meisten Einwohnern beigebracht, wie sie sich auf der Amazon-Seite orientieren und einkaufen können. „Gib mir keinen Fisch, sondern bring mir das Angeln bei! Man muss lernen, besonders in diesen Zeiten“, sagt Breton.