3862 Einwohner hat das niederbayerische Schönberg, einen Marktplatz und eine neugotische Kirche aus dem 13. Jahrhundert. Zu ihrer Linken liegt, zwischen einer Metzgerei und einem Buchladen, ein Modehaus. 250 Quadratmeter Ausstellungsfläche, italienische Mode, ein etabliertes Geschäft. Seit 1985 existiert es, geleitet von Vera und Helmut Scheuchenzuber, unterstützt von ihrem Sohn Julian. Ein echtes Familienunternehmen.

Sechs Autostunden nördlich, in der Berliner Buchholzer Straße, findet sich ebenfalls ein Familienunternehmen. Seit 2009 verkaufen Tante und Nichte unter dem Label „Madame Jordan“ Mode – im weitesten Sinn: Tragesysteme für Kleinkinder und Kleidung für Neugeborene. Seit der Eröffnung wächst das Geschäft, inzwischen auf 120 Quadratmeter inklusive Werkstatt, Lager und Kursraum.

An diesem Freitag trafen beide Unternehmen am Berliner Amazon-Standort aufeinander –beim Kickoff-Event des Förderprogramms „Unternehmer der Zukunft“, ins Leben gerufen von WirtschaftsWoche und Amazon. Die Initiative soll helfen, kleine Händler mit bis zu 20 Mitarbeitern für das Digitalzeitalter fit zu machen. Über 200 Unternehmen hatten sich beworben, 23 wurden schließlich ausgewählt, darunter Madame Jordan und Mode Scheuchenzuber. Alle Teilnehmer entwickeln jetzt einen E-Commerce-Aktionsplan und setzen ihn in den kommenden Monaten um. Dabei stehen die Unternehmen vor ganz unterschiedlichen Herausforderungen.

„Wir stehen noch ganz am Anfang des E-Commerce und sind dabei herauszufinden, was für uns die beste Lösung ist“, sagt etwa Julian Scheuchenzuber, der als neuer Junior-Chef und Software-Entwickler für alles Digitale im Familienbetrieb zuständig ist. Bisher habe man bereits ein digitales Schaufenster auf der Website integriert und damit begonnen, online Geschenkgutscheine zu verkaufen, erklärt er. Vor dem nächsten Schritt, einem eigenen Online-Shop, gibt es aber noch einige offene Fragen für die Schönberger: „Welche Art von Shop ist für uns der beste? Ist es ein Marketplace, ein eigener Shop oder ein gehosteter Shop von einem Drittanbieter?“, bringt Scheuchenzuber sie auf den Punkt.

Bei der Beantwortung solcher Fragen helfen die E-Commerce-Experten der Initiative –– sie begleiten das Programm als Coaches und bieten kostenlose Trainings an: „Wir stehen für Unternehmertum und möchten besonders digitale Ansätze fördern, die aus unserer Sicht häufig noch ungenutzt sind – deshalb freut es uns, im Rahmen der Initiative einen konkreten Beitrag leisten zu können“, erklärte Florian Heinemann, Gründer und Geschäftsführer des Frühphasen-Investors Project A, einer der Coaches. Ähnlich äußerte sich Mark Steier, Herausgeber von www.wortfilter.de und ebenfalls einer der Experten. Gleichzeitig appellierte er an die Händler: „Die Möglichkeiten, die das Internet und auch Amazon Marketplace bieten, sind da – nutzen müssen sie die Händler selbst.“

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Christiane Jordan, Antje Rudolph (Madame Jordan), Julian und Helmut Scheuchenzuber (v.l.)

Bei den Madame Jordan-Unternehmerinnen stößt er damit auf offene Ohren: Bereits jetzt machen die Berlinerinnen einen Teil ihres Umsatzes online, betreiben zudem aber ihren Laden im Prenzlauer Berg weiter. „Uns ist es wichtig, eine größere Bekanntheit zu erreichen und etwas aus der Nische unseres Produktes herauszukommen“, erklärt Christiane Jordan. Um das zu schaffen, wollen Tante und Nichte auch neue Märkte erschließen: „Die Internationalisierung des Geschäfts würde für uns natürlich ganz andere Verkaufsmöglichkeiten eröffnen, allerdings müssen wir noch lernen, die einzelnen Märkte zu verstehen.“ Ein erster Schritt soll dabei die Veranstaltung bei Amazon sein.

Um genau solche Themen rund um den Auf- oder Ausbau des Online-Geschäfts ging es am Freitag den ganzen Tag lang – und auch darum, dass man etwas wagen muss: „Im digitalen Zeitalter sind Risikobereitschaft und Experimentierfreude gefragt. Als Pioniere in ihren Bereichen werden die Unternehmer auch mal Fehler machen. Das Programm hilft ihnen dabei, die Kosten des Scheiterns zu minimieren und ihr Wachstum zu beschleunigen“, sagte Dr. Markus Schöberl, Director Händlerservices Amazon Deutschland und Initiator des Programms am Freitag.

In Berlin wartete auf die Teilnehmer bis in die Abendstunden hinein ein Programm mit Sprechern wie Daniel Krauss, Gründer des Mobilitätsunternehmens FlixBus, Philipp Fleischmann, Managing Director der Global Edition des Handelsblatts oder Jörg Kundrath, Gründer von KAVAJ, das hochwertige Taschen für mobile Endgeräte vertreibt.

In den Pausen tauschten sich die Teilnehmer am Kuchenbüffet mit Gleichgesinnten aus, diskutierten über das eigene Geschäft und die Herausforderungen des E-Commerce. Nach den Vorträgen am Vormittag standen Workshops und Trainings auf der Agenda, in denen die Unternehmer das praktische Rüstzeug für den Ausbau ihres Online-Geschäfts erhielten. Am zweiten Tag, dem morgigen Samstag, geht es dann bereits um 7.30 Uhr morgens weiter: mit Flix-Bussen ins Amazon Logistikzentrum in Brieselang, wo weitere Trainings anstehen.

Zwei Tage volles Programm – den Schönbergern war es das allemal wert. Denn für das Förderprogramm passe man mit den eigenen Herausforderungen, so Julian Scheuchenzuber, „wie die Faust aufs Auge. Wir freuen uns riesig, jetzt hier sein zu dürfen! Wir wollen mit viel Input von den Coaches und den anderen Teilnehmern wieder in die Heimat fahren können“.