Im Urlaub verliebt man sich gerne einmal: in das Land, die Leute, die Kultur. Bei Stefan Neubig war es ein Glas. Ein Einweckglas, das mithilfe einer Solarzelle im Deckel ohne Strom Licht erzeugt und das von Menschen aus den Townships von Johannesburg produziert wird.

„Ich war so begeistert von dem Produkt und dem sozialen Projekt dahinter, dass ich dachte: Diese Idee muss man außerhalb von Afrika bekannt machen."
Stefan Neubig

Begeistert von diesem Produkt ging es für Stefan in Südafrika nicht auf Safari, sondern zu einem Treffen mit dem Erfinder der umweltfreundlichen Lampe. Das ist zwei Jahre her und längst ist das Sonnenglas weit über Afrika hinaus bekannt. Stefan Neubig verhalf dem Projekt zu internationaler Aufmerksamkeit und vertreibt Sonnenglas über den Amazon Marketplace in Europa, den USA und bald auch in Japan.

Zunächst verlief der Südafrika-Urlaub für Stefan wie geplant: eine nette Reisegruppe, viele Ausflüge und gutes Essen: „Wir waren in Hermanus und gingen zu einem Braai, einem typisch südafrikanischen Grill-Fest. Es war schon dunkel und da standen diese leuchtenden Einweckgläser auf den Tischen“, erinnert sich der 29-Jährige. „Von dem Moment an, als ich das Sonnenglas sah, konnte ich mich auf nichts anderes mehr konzentrieren. Mich faszinierte die Verbindung aus Einfachheit und Genialität.“

Lichtblicke in Johannesburg

Noch in derselben Nacht recherchierte Stefan im Internet, woher die Gläser stammen. Erfunden hatte sie Harald Schulz, ein Elektroingenieur mit österreichischen Wurzeln, der in Südafrika aufgewachsen ist und dort lebt. „Ich schrieb ihm eine E-Mail. Wenige Tage später saß ich im Flieger von Kapstadt nach Johannesburg. Harald führte mich dort durch das Werk.“ Es sind ehemalige Arbeitslose aus den Armenvierteln Soweto und Alexandra, die der Gründer von Sonnenglas beschäftigt. Sie montieren die Solarzellen und Bedienelemente an den Einweckgläsern, die vom südafrikanischen Glashersteller Consol geliefert werden.

„Die Atmosphäre im Werk erinnerte mich nicht im Geringsten an eine Fabrik. Vielmehr war das Team wie eine Familie“, sagt Stefan. Der soziale Aspekt hinter Sonnenglas überzeugte ihn nur noch mehr. Gleichzeitig begeisterte ihn die Einfachheit der Mittel, mit denen Harald Schulz Licht in die von Stromausfällen geplagte Stadt bringt und dabei Arbeitsplätze schafft.

Zwischen den Welten

Mitte Februar flog Stefan mit zahlreichen Eindrücken und einigen Sonnengläsern im Gepäck nach Hause nach Heilbronn. Dort wartete sein Start-up-Unternehmen Aboalarm auf ihn. Der studierte Mediengestalter und Fotograf gründete 2008 mit einem Partner eine Online-Plattform, die Kunden beim richtigen und rechtzeitigen Kündigen von Verträgen unterstützt.

Gedanklich hing Stefan aber noch bei den Mitarbeitern aus dem Township. „Ich war so begeistert von dem Produkt und dem sozialen Projekt dahinter, dass ich dachte: Diese Idee muss man außerhalb von Afrika bekannt machen. Außerdem war es schon länger mein Wunsch, mit etwas zu arbeiten, das man in der Hand halten kann. Bislang hatte ich ausschließlich mit digitalen Produkten wie Apps zu tun.“

Jede freie Minute investierte er in die Sonnengläser, produzierte Marketingmaterial, das es bislang noch nicht gab, richtete die Website sonnenglas.net ein und eröffnete bei Amazon.de einen eigenen Shop. „Wir sind mit dem Versand durch Amazon Programm gestartet. Das geht ohne viel Aufwand und wir hatten so die Möglichkeit, erst einmal zu sehen, wie gut sich das Produkt in Deutschland verkauft. Unsere eigene Logistik haben wir erst später aufgebaut.“

Gut Ding will Weile haben

Ohne Werbung und ohne fremde Finanzmittel kam der Erfolg in kleinen Schritten. „Es fing mit wenigen Verkäufen pro Tag an und steigerte sich langsam“, sagt Stefan. „Aber wenn man ein geniales Produkt hat, dann verbreitet es sich fast von alleine über Mund-zu-Mund-Propaganda.“ In nur zweieinhalb Jahren entwickelte sich Sonnenglas vom Geheimtipp zum Bestseller bei Amazon.de.

„Die Kunden kaufen das Sonnenglas aus unterschiedlichsten Gründen: Die einen legen Wert auf ein fair produziertes Produkt, die anderen überzeugt der Umweltaspekt. Viele schätzen die Möglichkeit, das Sonnenglas nach individuellen Vorstellungen zu gestalten, denn man kann die Gläser nach Wunsch befüllen.“ Im Sommer, nachdem Sonnenglas auch in den USA auf den Markt kam, war die Nachfrage so groß, dass es erste Lieferschwierigkeiten gab. Die Produktionskapazität wurde daraufhin vergrößert. „Für Weihnachten wollen wir allein im Dezember über 10.000 Sonnengläser bei Amazon verkaufen“, so Stefan.

Ein Liter Sonnenlicht für eine bessere Zukunft

Stefan hofft, mit dieser Entwicklung etwas zum gesellschaftlichen Wandel in Südafrika beitragen zu können. In der Produktion arbeiten heute 65 Menschen, viermal mehr als am Anfang. „Und die Mitarbeiterzahlen wachsen fast wöchentlich“, sagt er.

Mit Sonnenglas hat der Jungunternehmer noch einmal ganz von vorne angefangen. Schnell wurde es zu Stefans neuer Hauptaufgabe, und er sieht darin mehr als ein Geschäft: „Es ist schwierig meine Leidenschaft anzufachen, aber wenn ich für eine Sache brenne, dann brenne ich richtig. Wir fertigen nicht nur ein Produkt, sondern schaffen Perspektiven für Menschen, die zuvor ohne große Chancen waren. Das treibt mich jeden Tag an.“

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