In Afrika gibt es eine sehr aktive und innovative Data Science-Community. Data Science ist eine Wissenschaft, die mit Hilfe von Mathematik, Statistik und Informatik Wissen aus Daten extrahiert. Das Teilgebiet des Maschinellen Lernens – kurz ML – nutzt etwa Daten aus der Vergangenheit, um Vorhersagen für die Zukunft zu treffen. Ralf Herbrich, Director Machine Learning bei Amazon, berichtet in diesem Blogpost von seinen Eindrücken und Erfahrungen Mitte Juli bei der „Data Science Africa Summer School“.

Auf den meisten Konferenzen, die ich besuche, stehen Algorithmen im Zentrum der Diskussion –theoretische Grundlagenforschung. Ganz anders auf der „Data Science Africa Summer School” in Arusha, Tansania, zu der mich Neil Lawrence eingeladen hatte, der Leiter von Amazon Research in Cambridge.

Ich sollte über meine praktischen Erfahrungen und Maschinelles Lernen (ML) bei Amazon berichten. Die Einladung nahm ich gerne an – aus Neugier auf die praxisnahe Forschung in Afrika und natürlich auf Tansania, ein Land, das ich zuvor noch nicht besucht hatte.

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Ralf Herbrich programmiert mit Teilnehmern der „Data Science Africa“ Summer School ein Gerät zur Messung von Bewegungen, Temperatur und Luftfeuchtigkeit.

Was sofort überraschte: Aus Deutschland bin ich es leider gewohnt, dass ein WLAN schnell überlastet ist, wenn viele Geräte gleichzeitig laufen. Kein Problem in Tansania: Mobiles Internet ist nicht nur sehr günstig, Empfang und Datengeschwindigkeit übertreffen das Niveau von Berlin-Mitte!

Auch wie weit Forschung und Entwicklung im Bereich Data Science in Afrika inzwischen sind und wie relevant das für den Alltag vieler Menschen ist, war mir bisher kaum bewusst. Schnell zeigte sich: Die Teilnehmer wenden das Wissen über Algorithmen und ML sofort praktisch an. Mit einfachsten Mitteln bauen sie kleine vernetzte Geräte aus einer Platine, Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren. Die Geräte kommen dann direkt in der Landwirtschaft zum Einsatz, um Tierbewegungen, Temperatur und Luftfeuchtigkeit zu erfassen. Die Technik zu programmieren ist einfach, und viel Energie benötigt sie auch nicht.

Angesichts dieser konkreten Anwendungen schaltete ich auch für meinen Vortrag spontan von Theorie auf Praxis um: So baute ich etwa eine Live-Demonstration von Amazons maschineller Übersetzungstechnik Sockeye ein, eine der Möglichkeiten, die Amazon im Bereich ML bietet.

So unterschiedlich die Anwendungsfelder, so ähnlich die Herangehensweise der afrikanischen Teilnehmer: Wie auch wir bei Amazon betrachten sie zunächst ein Problem oder eine offene Frage, nicht ein technisches Verfahren. Es folgt eine präzise Datenanalyse und die Diskussion darüber, welche Algorithmen bei der Lösung helfen können. Erst dann kommt es zur praktischen Umsetzung einer Innovation.

Aus meiner Sicht wird die afrikanische Data Science-Community eine wichtige Rolle bei der Revolution vernetzter Endgeräte spielen. In Tansania erlebte ich eine Infrastruktur für mobiles Internet, die besser ausgebaut und billiger ist als in jedem anderen Land, das ich bisher besucht habe. Hinzu kommt: Die weit verbreitete und wirtschaftlich bedeutsame Landwirtschaft bietet ein Experimentierfeld für anwendungsnahe Forschung und die Entwicklung maßgeschneiderter mobiler Endgeräte.